Erholung und Sport im Wald sind bislang umsonst zu haben. Foto: Pixaby

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Honorierung von Waldökosystemleistungen und Waldprodukten

Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer fordern Geld für das, was ihre Wälder für die Gesellschaft leisten, sei es im Bereich Gesundheit, Erholung, Trinkwasser- oder Luftreinigung sowie CO2-Senke. Ein Vorschlag, wie die Abgeltungs-Berechnungen aussehen könnten – Norbert Asche / Heike Stromberg

Wald ist mehr als das Holz, das er produziert, mehr als die gesäuberte Luft, die wir atmen, mehr als das Trinkwasser, das er filtert, mehr als die Ruhezone, die er uns bietet, mehr als der Erholungsraum, der täglich aufgesucht wird, und mehr als der Lebensraum, den er unzähligen 
Lebewesen bietet.

Um die Bedeutung dieser Leistungen als Basis für ein «gutes Leben» der Gesellschaft beziehungsweise der Menschen 
langfristig nutzen zu können, ist eine angemessene Honorierung der Waldökosystemleistungen erforderlich.

Mensch und Waldnutzung

Waldökosysteme weisen zahlreiche Funktionen auf: Erzeugung und Zersetzung von Biomasse, Regulation des Landschaftswasserhaushaltes, Einfluss auf Lokal- und Regionalklima, Lebensraum für zahlreiche Organismen und vieles mehr. Nutzt der Mensch bewusst oder unbewusst diese Funktionen der Wälder zur Befriedigung eigener Ansprüche, so sind die genutzten Funktionen Leistungen der Wälder, die die Wohlfahrt der Menschen steigern. Erweitert man diese Sichtweise vom einzelnen Menschen auf einen Wirtschaftsraum beziehungsweise eine Volkswirtschaft, so sind die Leistungen (unter anderem Erholung, Klimaschutz) und auch Produkte (unter anderem Holz, Nahrung) der Wälder eine wichtige Basis jeder Volkswirtschaft.

Zudem haben viele Menschen, insbesondere in den Städten, eine Sehnsucht nach Landschaft und «unberührter» Natur. Diese Sehnsucht nach «Natur» schlug sich in Werken der Romantik nieder, es entwickelten sich frühzeitig Umweltbewegung (Wandervogelbewegung, Alpenverein), und heute geben sie wichtige Impulse für eine «naturvertragliche » Gesellschaft.

Waldleistungen und ihr monetärer Wert

In den letzten Jahren treten auch Nachteile städtischer Lebensweisen verstärkt in Form von «Zivilisationskrankheiten» auf: Etwa Schlafstörungen, Diabetes, Adipositas, Atemwegsleiden, Depressionen, Burn-out, motorische Defizite. Alle diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Wälder – als naturnächstes Ökosystem – für ein gutes Leben der Menschen und die tägliche Erholung (Abendspaziergang, Joggen, Hund ausführen) eine wichtige Basis sind. Dass dies so ist, hat bereits der Preussische Minister für Volkswohlfahrt 1927 betont: «Die Bedeutung der Wälder für die Volksgesundheit liegt in der seelischen und körperlichen Lebensgemeinschaft zwischen Mensch und Wald … Ohne diesen Wald würden wir körperlich entarten und geistig veröden … Ohne ihn würden unsere Äcker steinig, unsere Berge zu kahlen Klippen und unser Klima ungesund werden, unabwendbare sich wiederholende Überschwemmungen der Flüsse würden unsere 
Gesamtwirtschaft schädigen.»

Diese vor zirka 100 Jahren für das Ruhrgebiet gemachte Aussage gilt auch heute noch. Vor allem, weil wir heute um den schnellen Klimawandel mit allen seinen möglichen Folgen wissen.

Wald und rechtliche Vorgaben

Alle Waldflächen in Deutschland haben einen Eigentümer. Durch die Gesellschaft werden Ökosystemdienstleistungen seit langem erwartet und gefordert. Das Betretungsrecht von Wäldern wurde mit dem Bundeswaldgesetz 1975 geregelt.

Mit der Rahmenvorschrift wurde den Bürgern gestattet, Wälder zum Zwecke der Erholung auf eigene Gefahr zu nutzen. Da diese forstgesetzliche Bestimmung eine Inhaltsbeschränkung des Waldeigentums darstellt und die Rechtsposition des Waldeigentümers einschränkt, wurde schon frühzeitig über einen entsprechenden Ausgleich beziehungsweise eine Honorierung der Dienstleistungsfunktion des Waldes gesprochen. Letztendlich wurde den Waldeigentümern folgende Gegenleistungen gewährt: Zuschuss zur Waldbrandversicherung, Ersatz durch die vom Erholungsverkehr verursachten Schäden, kostengünstige tätige Mithilfe bei der Waldbewirtschaftung
durch die Forstverwaltung, Abfallentsorgung 
im Wald.

Diese für das Betretungsrecht zugesagten Gegenleistungen respektive Honorierungen wurden in den folgenden Jahren aber gestrichen bzw. deutlich reduziert.

Ernte und Verkauf des Holzes machen zirka 90 Prozent der Einnahmen von Forstbetrieben aus. Jedoch wird eine Holznutzung in heimischen Wäldern immer häufiger von Umweltgruppen und der urbanen Bevölkerung tendenziell abgelehnt (Stichworte: Flächenstilllegung, Wildnis) beziehungsweise als unwichtig eingestuft, obwohl Deutschland beziehungsweise das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) seinen Holzbedarf aus eigenen Quellen 
nicht decken kann.

In der forstwirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wird der monetäre Wert der Holzerzeugung mit rund 4,7 Milliarden Euro für 2018 angegeben. Bezogen auf die Gesamtwaldfläche von zirka 11 Mio. Hektaren in Deutschland betragen die Bruttoerträge etwa 
430 Euro pro Hektare.

Die zahlreichen Waldökosystemdienstleistungen des Waldes werden insbesondere von der urbanen Bevölkerung geschätzt. Dass diese Leistungen einen hohen Wert haben, hat bereits Bichelmair 1969 für den Raum München gezeigt. Dabei war allein der Erholungswert pro Hektar und Jahr bis zu 30-mal höher als der Reinertrag der Holzproduktion. Eine neue Studie zum Wert der Waldökosystemleistungen für das Ruhrgebiet beziffert unter anderem den Erholungswert der Wälder mit zirka 6400 Euro pro Hektar und Jahr und damit rund 50-mal so hoch wie die Erlöse 
durch Holzverkauf.

Die niedersächsischen Landesforsten schätzen den wirtschaftlichen Wert der Ökosystemdienstleistungen für den Landeswald zirka 10-mal so hoch ein wie die durch Holznutzung erzielten Erträge, und auch für die Wälder im bevölkerungsarmen Mecklenburg-Vorpommern wurde der Wert der Ökosystemleistungen doppelt so hoch wie die durch Holznutzung erzielten Erträge eingeschätzt. Im Waldbericht des BMEL 2017 wird der wirtschaftliche Wert allein der Erholung im Wald auf Basis einer TEEB-Studie (Globale Studie zur Ökonomie von Ökosysteme, Anm. d. Redaktion) mit zirka zwei Milliarden Euro (180 Euro pro Hektare) und der Wert des «Naturschutzes » ebenfalls mit zirka zwei Milliarden Euro (Euro pro Hektare) für Deutschland angegeben. Obwohl die Wälder eine hohe volkswirtschaftliche Wertschöpfung leisten, wird diese derzeit nicht respektive nur ansatzweise im Privatwald honoriert – vielmehr haben die Forstbetriebe auch noch verschiedene Sozialabgaben zu leisten (unter anderem Grundsteuer). 

Berechnung monetärer Werte von als Basis 

Eine allgemein anerkannte Methode, Waldökosystemdienstleistungen zu berechnen, wurde bisher noch nicht erarbeitet. Vielmehr gibt es verschiedene Bewertungsansätze. Zudem lehnen einige Wissenschaftler und auch Vertreter des Naturschutzes eine monetäre Bewertung der zahlreichen Waldleistungen ab. Ein anerkannt wirtschaftswissenschaftliches Verfahren, um entgangene Nutzen einer alternativen Handlung zu beschreiben, ist die Opportunitätskosten-Methode. Nutzt man diesen Ansatz für die monetäre Bewertung von Waldökosystemdienstleistungen, so kann deren Wert nachvollziehbar eingeschätzt werden. Beispiele hierfür sind die Entfernung von Stäuben aus der Luft mit Filtern, die Verdunstung von Wasser mit Luftbefeuchtern oder die Abscheidung von CO2 durch Adsorption an verschiedenen Reagenzien.

Am Beispiel der Wälder im Gebiet der Stadt Hagen wird die Ableitung monetärer Werte der Waldökosystemdienstleistungen «Gesundheit» und «CO2-Senke» beschrieben. Weitere Leistungen lassen sich mit diesem Ansatz ebenfalls berechnen. Das Gebiet Hagen (Stadt in Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Red.) wurde gewählt, da für diesen Raum bereits eine monetäre Bewertung zahlreicher Waldleistungen vorliegt.

Wald und Gesundheit

Dass Waldbesuche die Gesundheit, Vitalität und das Wohlbefinden von Menschen stärken ist schon lange bekannt und durch verschiedene Studien beschrieben. Der Hygieniker und Professor Hermann Eyer 
führte bereits 1962 aus: 

– Waldbesuchen können Werte zugemessen werden, die den Inhalt halber Apotheken zu kompensieren vermögen.

– Wenn die Waldbesuche die Gesundheit und das Selbstwertgefühl stärken, so dürfte dies dazu beitragen, dass Menschen mit diesen positiven Erfahrungen weniger medizinische Hilfe benötigen als Menschen, die den Wald meiden oder keine positiven Wirkungen eines Waldbesuches erfahren. Und wenn weniger medizinische Hilfe für ein «gesundes Leben » erforderlich ist, entlastet dies das Gesundheitssystem (Gesamtkosten 2017: 376,6 Milliarden Euro beziehungsweise 4544 Euro pro Person; Statistisches Bundesamt 2020) von erheblichen Kosten. Diese eingesparten volkswirtschaftlichen Kosten kann man dann als Erträge der Wälder für eine gesteigerte Vitalität der Menschen beschreiben.

Kostenberechnung Faktor Gesundheit

In Hagen leben zirka 188 000 Menschen. Wie viele Einwohner tatsächlich den Wald im Stadtgebiet regelmässig aufsuchen, ist unbekannt und lässt sich zuverlässig auch kaum ermitteln. Insofern wird angenommen, dass 30 Prozent der Einwohner den Wald regelmässig aufsuchen und dadurch gesundheitliche Vorteile haben.

Wenn dieser verbesserte Gesundheitszustand dazu führt, dass diese Menschen im Durchschnitt weniger medizinische Hilfe benötigen und daher einmal weniger im Jahr einen Arzt aufsuchen, ergibt sich eine monetäre Entlastung des Gesundheitswesens bzw. eine entsprechende Leistung des Waldaufenthaltes. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betrug das durchschnittliche Arzthonorar pro Behandlung 66,36 Euro im dritten Quartal 2013. Nutzt man diese Zahlen – mit allen ihren Ungenauigkeiten, zeitlich und behandlungsbezogen – und führt sie zusammen, so kann die Waldökosystemdienstleistung «Gesundheit» wie folgt berechnet werden:

– Gesparte Arztbesuche pro Jahr: 
zirka 56 400;

– Wert eines Arztbesuches: 66,36 Euro;

monetärer Wert Waldökosystemdienstleistung «Gesundheit»: 3 742 000 Euro respektive 530 Euro pro Hektare.

Wald und CO2-Bindung

Waldbäume entziehen der Atmosphäre CO2 und bilden mithilfe der Photosynthese daraus Biomasse beziehungsweise Holz. Von dem jährlichen Holzzuwachs (rund 65 000 Kubikmeter) werden etwa 40 000 Kubikmeter Holz jedes Jahr in den Wäldern im Gebiet der Stadt Hagen geerntet und verkauft. Das Holz wird in verschiedenen Produkten mittelfristig festgelegt. Hierdurch findet eine Substitution fossiler Energieträger oder energieintensiv hergestellter Werkstoffe (unter anderem Stahl, Beton) statt, und die Atmosphäre wird jedes Jahr um zirka 36 000 Tonnen CO2 beziehungsweise 5,2 Tonnen CO2 pro Hektare entlastet.

Das Holz, das im Wald verbleibt, ist für die Bodenfruchtbarkeit erforderlich und wird von den zahlreichen Organismen wieder in seine Bestandteile zerlegt. Eine Entlastung der Atmosphäre ist hierdurch nur so lange zu erwarten, bis der standorttypisch mögliche Biomassevorrat erreicht ist. Danach dürften CO2 -Bindung und -Freisetzung im Mittel der Jahre eine ähnliche 
Grössenordnung erreichen.

Durch die Photosynthese der Bäume wird nicht nur CO2 aus der Atmosphäre entfernt, sondern auch Sauerstoff freigesetzt. Er ist für uns lebenswichtig und ersetzt bei der Atmung verbrauchten Sauerstoff in der Atmosphäre. Auch diese Leistung hat 
einen hohen Wert.

So sieht die Honorierung der CO2-Fixierung in Wäldern konkret aus:

Die CO2-Fixierung – Klimaschutz – durch Waldbäume und deren Honorierung (zum Beispiel mit dem halben an der Börse notierten CO2-Preis) sollte sich an der tatsächlich in einem Jahr getätigten Holznutzung, die auch in der Finanzbuchführung verzeichneten ist, orientieren. Denn dieses Holz ersetzt fossile Energieträger beziehungsweise energieintensiv hergestellte 
Bau- und Werkstoffe.

Nutzt jemand mehr Holz als der nachhaltige Hiebssatz festlegt (Stichwort: Kalamität), würde auch diese Nutzung honoriert; nutzt er kein Holz, erhält er auch keine Honorierung für die CO2-Fixierung. Möglichweise erhält er dann aber einen höheren Betrag zum Beispiel für «Naturschutzleistungen». Verwaltungstechnisch könnte dieses Vorgehen von der Finanzverwaltung umgesetzt werden – zumal Betriebe dort ihre betriebswirtschaftlichen Unterlagen einreichen müssen. 

Transparente Honorierung möglich

Man kann eine Honorierung der Leistungen auch über einen Fonds abwickeln, der von allen Nutzern der Waldökosystemleistungen getragen wird. Hier dürfte jedoch ein hoher Verwaltungsaufwand erforderlich sein, der zusätzliche Mittel erfordert, die dann für eine Honorierung nicht mehr zur Verfügung stünden. Eine einfache Möglichkeit, private Waldbesitzer kostengünstig und schnell an volkwirtschaftlichen Erträgen zu beteiligen, könnte die Befreiung von öffentlichen Abgaben (unter anderem Grundsteuer, Sozialversicherung) sein.

Wälder sind mehr als Holz – aber auch Holz. Welchen hohen Wert diese Leistungen für die Menschen haben, ist mehrfach und gut begründet in zahlreichen Studien beschrieben. Um auch alle Waldbesitzer an dieser hohen Wertschöpfung teilhaben zu lassen, ist eine Honorierung der Waldökosystemdienstleistungen dringend erforderlich. Eine wissenschaftliche Studie regte 2020 hierzu an, ein von Grund auf neu konzipiertes Instrumentarium zu entwickeln, das eine ergebnisorientierte Honorierung von gesellschaftlich nachgefragten und geforderten Leistungen der 
Waldwirtschaft ermöglicht.

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